Interview mit Andrea Preußker: Wie läuft ein Schulbesuch ab?

Wie funktioniert ein Schulbesuch?
Andrea Preußker: So ein Schulbesuch läuft immer nach einem festen Muster ab. Zum Team gehören stets mindestens drei Jurymitglieder. Der Besuch startet am Nach­mittag des ersten Tages mit einem Gespräch mit der Schul­leitung, dann folgt ein Schul­rund­gang zur ersten Orientierung. Anschließend teilt sich das Team. Die eine Hälfte spricht mit Eltern­, die andere mit außer­schulischen Partnern. Am nächsten Tag geht es darum, möglichst viel zu sehen: den Unterricht in allen Klassen­stufen und in allen Fächern. Parallel finden Gespräche mit Lehrkräften und Schüler:innen statt. Die Hospitationen enden in der Regel am frühen Nachmittag. Zum Schluss tauscht das Besuchs­team noch vor Ort alle gesammelten Eindrücke aus und nimmt eine Bewertung der Schule vor.

Wie gehen die Schulen mit dieser Ausnahme­situation um?
Das ist ganz unterschiedlich. Gerade die Schulen, die wir ganz zu Beginn besuchen, haben gar keine Zeit für eine Vorbereitung. Wir sagen immer: Man braucht sich nicht vor­zubereiten. Wir wollen den Alltag an der Schule kennen­lernen – ohne großes Theater. Trotzdem sind die Schulen natürlich aufgeregt – ähnlich wie wir. Sie sind ganz gespannt, was da wohl in den zwei Tagen passiert, und am Ende sind sowohl Schule als auch Jury erschöpft. Schließlich ist das eine sehr intensive Zeit für beide Seiten.

Welches Feedback kommt von den Schulen zu den Besuchen?
Die Rückmeldungen sind immer ganz interessant. Oft hören wir, dass wir nicht nur an der Ober­fläche kratzen, sondern ganz genau hinsehen. Es heißt, die Juror:innen erkennen den Kern einer Schule sehr gut, weil sie viele ernst­hafte, tief­gründige aber auch manchmal schmerz­hafte Fragen stellen.

Wie läuft die Vorbereitung für einen Schulbesuch ab?
Das geht über die ohnehin sehr intensive Beschäftigung mit den Bewerbungs­unter­lagen hinaus. Dazu gehört auch, dass man sich mit dem Umfeld der Schule aus­einander­setzt. In einer Vor­besprechung tauscht sich das Team dann über die Recherchen aus.

Jurymitglied Karin E. Oechslein mit Schülern und Schulhund der GGS Kettelerschule in Bonn
Traube47

Jurymitglied Dr. Karin E. Oechslein beim Schulbesuch der GGS Kettelerschule in Bonn im Jahr 2019

An wie vielen Besuchen nimmt ein Jurymitglied pro Wett­bewerbs­jahr teil?
Das ist eine Frage, die auch oft von den Schulen gestellt wird. Sie wollen wissen, ob sie die einzige Schule sind, die man sieht. Die Antwort heißt: Nein. Wir achten immer darauf, dass ein Jury­mit­glied mindestens zwei Schulen sieht, damit auch ein Vergleich möglich ist.

Wer welche Schule besucht, hängt also davon ab, welches Fach­wissen sie oder er mitbringt?
Ganz genau. Wir achten darauf, dass wir ganz unterschiedliche Leute zusammen­bringen und die Teams multi­professionell auf­gestellt sind. In einer Gruppe sollten immer Praktiker:innen und Wissen­schaftler:innen vertreten sein. Außer­dem muss jemand dabei sein, der:die sich im Bundes­land gut auskennt, und zum anderen jemand, der:die die Schulart gut kennt. Außerdem braucht das Team Personen, die einen Blick auf Schule haben, den die anderen nicht teilen. Und alle Jurymit­glieder geben vor der Besuchs­planung an, ob sie eine der nominierten Schulen persönlich kennen und befangen sind. Dann werden sie im Sinne der größt­möglichen Objektivität von diesem Besuch ausgeschlossen.

Gelingt es den multiprofessionellen Teams immer gut, zu einem gemeinsamen Urteil zu kommen?
Die Grundlage für die Bewertungen sind die sechs Qualitätsbereiche des Deutschen Schulpreises. Seit 2022 legen wir den Fokus auf die Unterrichtsqualität. Hier schaut die Jury also ganz genau hin und notiert Stärken und Entwicklungsbereiche der Schule anhand von vier Kategorien (Verständnis von qualitätsvollem Lehren und Lernen;   Gestaltung von Lehr- und Lernprozessen; Unterrichtsentwicklung; Evaluation und Umgang mit Daten). Dennoch ist es oft ein Ringen und es gibt viele Diskussionen. Das ist ja auch klar: Ein:e Wissen­schaftler:in achtet auf andere Aspekte als eine Person, die aus der Schulpraxis kommt. Doch letztlich ist sich das Besuchs­team am Ende immer sehr einig, ob eine Schule für einen Preis oder eine Nominierung vorgeschlagen wird.

Wie schaffen sie das?
Die Diskussion ist immer auf Augenhöhe: Alle Meinungen werden gleicher­maßen ernst genommen und angehört. Außer­dem wird jeder Schul­besuch von einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter der Robert Bosch Stiftung oder der Heidehof Stiftung begleitet. Sie achten auf die Zeit und moderieren den Besuch, dürfen die Schule aber nicht mitbewerten.

So ein Schulbesuch ist also in jeder Hinsicht ziemlich aufwändig. Lohnt sich der Aufwand?
In jedem Fall! Die Schulbesuche sind für uns ein unverzichtbares Instrument. Man kann die Schulen zwar durch die Bewerbungs­unter­lagen kennen­lernen, aber erst der Besuch ermöglicht, in die Tiefe zu gehen, den Schul­all­tag und auch das Umfeld der Schule besser zu erfassen. Nach einem zwei­tägigen Schul­besuch hat man das Gefühl, die Schule zu verstehen – dann fügt sich alles in einem stimmigen Bild zusammen.

 

Das Interview führte Antje Tiefenthal für das Deutsche Schulportal.