„Wir haben immer zu wenig Zeit – deshalb verschenken wir viel.“ Was zunächst widersprüchlich klingt, entpuppt sich bei näherem Hinsehen als ein besonderer Rhythmus, der die Marie-Kahle-Gesamtschule prägt. Seit sechs Jahren sind dort zwei Zeitstunden an jedem Schultag für eigenverantwortliches Lernen reserviert. Die Schülerinnen und Schüler aller Jahrgänge werden zur gleichen Zeit „freigelassen“, entscheiden selbst, was, wo und mit wem sie lernen wollen. Über mehrere Jahre wurde das niederländische Dalton-Konzept auf die Situation der Schule adaptiert und weiterentwickelt. Entstanden ist eine kluge Balance von klassengemeinschaftlichem Lernen und individueller Schwerpunktsetzung, so dass in jeder Schulwoche das selbstständige Vertiefen von Interessen und Kompetenzen ebenso einen sicheren Platz hat wie spezielle Lernförderung oder das Ausleben besonderer Begabungen. Zusammengehalten wird das Ganze durch eine demokratisch verfasste Schulgemeinschaft, in der politisch-historische Bildung als Aufforderung zu gesellschaftlichem Engagement fest verankert ist.
Lernen in Freiheit und Gemeinschaft muss angebahnt, kultiviert, immer wieder auf den Prüfstand gestellt werden, besonders dann, wenn in einer Schule das gesamte Interessens- und Begabungsspektrum adressiert wird. In intensiver Kooperation mit den Sonderpädagogen, die nahtlos in das Kollegium integriert sind, wird hier didaktische Grundlagenarbeit betrieben und bewiesen, dass trotz unterschiedlicher Lernausgangslagen an gemeinsamen Gegenständen gut gelernt werden kann. Dies alles geschieht in tragfähigen Strukturen und Prozessen, die so offen gestaltet werden, dass sie zum Mitmachen einladen.