Innovativer Unterricht und Wertschätzung für Vielfalt an der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule

 

An der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule im Berliner Stadtteil Prenzlauer Berg lernen Schüler:innen jahrgangsgemischt bis zum Abitur gemeinsam. Wie sich Experimentierfreude und Innovationslust im fächerübergreifenden Unterricht zeigen, hat Jurymitglied Simone Fleischmann beobachtet.

Zweimal in der Woche besuchen die Kinder der Lerngruppe „Eichhörnchen“ ihr Klassenzimmer im Grünen. Mitten im Wald zwischen Eichen und Buchen des Bucher Forsts bei Berlin haben die Schüler:innen der 1. bis 3. Klasse der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule fächerverbindenden Mathe-, Deutsch- und Englischunterricht. Als Teil eines Schulversuches zum hybriden Lernen experimentiert die Gemeinschaftsschule im Prenzlauer Berg mit außerschulischen Lernorten.

Fächer- und jahrgangsübergreifendes Lernen
2008 im Rahmen eines Pilotprojektes unter dem Motto „Neue Schule – jetzt!“ gegründet, gehören Experimentierfreude sowie Lust auf Innovation und Weiterentwicklung noch immer fest zum Wesenskern der Schulgemeinschaft. Rund 990 Schüler:innen lernen in 35 Lerngruppen fächer- und jahrgangsübergreifend von der 1. bis zur 10. Klasse gemeinsam. Die Oberstufe wird aktuell im Modellversuch mit einer Beruflichen Schule in Berlin angeboten. Noten gibt es erst ab der 9. Klasse, vorher dient ein Kompetenzraster zur Einordnung individueller Entwicklungsstände, das sich zum Beispiel an den Kategorien Empathie und Selbstbewusstsein orientiert. Ein Konzept, das aufgeht: An der Schule herrscht ein respektvoller Umgangston, sowohl unter den Kindern und Jugendlichen als auch zwischen Schüler:innen und Pädagog:innen. Er zeugt von einer beeindruckenden Beziehungsarbeit.

Zudem ist überall spürbar, wie aufgeklärt und selbstsicher die Schüler:innen sind. Das Gespräch mit einem souveränen Schüler, der erst seit zwei Jahren in Deutschland lebt, blieb in besonderer Erinnerung. Diese Begegnung zeigte, dass an der Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule Empowerment gelebt wird.

Vielfalt als großes Potenzial
Rund 15 Prozent der Schüler:innen waren 2023 nichtdeutscher Herkunftssprache, 17 Prozent lernmittelbefreit und 8 Prozent mit Inklusionsstatus. Weiterhin gehörten zunehmend Kinder mit psychischen Belastungen und chronischen Krankheiten zur Schulgemeinschaft. Unter dem Leitgedanken „All In“ wird Vielfalt als Potenzial wertgeschätzt. Dass manche Schüler:innen eine Lernbegleitung an ihrer Seite haben, ist so selbstverständlich ins Unterrichtsgeschehen eingebettet, dass es erst bei genauem Hinsehen auffällt. Denn der Unterstützungsbedarf der inkludierten Kinder wird weder thematisiert noch klassifiziert oder gar stigmatisiert.

Rund 95 Lehrkräfte arbeiten daran, den Schüler:innen eine umfassende demokratische Bildung auf höchstem wissenschaftlichen Niveau zu bieten. Der Unterricht ist offen und ermöglicht entdeckendes, handelndes und differenziertes Lernen. Die individuellen Arbeitszeiten der Schüler:innen wechseln sich ab mit gemeinsamen Plenumsgesprächen oder unterstützenden, strukturierenden Inputphasen durch die Lehrkräfte. Die Schüler:innen lernen dementsprechend alleine oder in Kleingruppen, im eigenen Tempo und ihrem Wissensstand entsprechend. Wöchentlich erhalten sie kompetenzorientiertes Feedback. Durch individualisierte Lernarrangements, gut gestellte Aufgaben und die Unterstützung bei der Lösungsfindung findet eine hohe kognitive Aktivierung statt. 

Fokus auf Verbesserung durch Daten
Das zeigt sich in den überdurchschnittlichen Lernerfolgen der Schüler:innen.
Um diese Qualität aufrechtzuerhalten, haben Evaluationsdaten bei der Unterrichtsentwicklung einen leitenden Stellenwert. Sie werden konstruktiv genutzt, um den Unterricht stetig weiterzuentwickeln und die individuellen Lernbereiche der Schüler:innen zu stärken. Ein weiterer wichtiger Baustein: das beeindruckende Netzwerk externer Partner, das sowohl Unternehmen wie das Kölner learninglab als auch Geschäftsführungskontakte aus dem Bereich Schulgründungen umfasst. Diese Kooperationen und der Stellenwert der Evaluationsdaten machen deutlich, wofür die Wilhelm-von-Humboldt-Gemeinschaftsschule steht: für hohe Innovationsbereitschaft und für guten Unterricht, der sich an den Bedarfen der Schüler:innen orientiert und ihre Selbstständigkeit stärkt.

Zur Person
Simone Fleischmann ist Lehrerin und seit 2015 Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands in München.