Systematische Unterrichtsentwicklung am Placida-Viel-Berufskolleg

Das Placida-Viel-Berufskolleg verändert mit seinem klaren Fokus auf guten Unterricht die ganze Schule. Im Interview erklärt Jurymitglied Carola Gnadt, wie die Schule ihre Unterrichtsentwicklung vorantreibt und was sich andere Schulen davon abschauen können.

 

Frau Gnadt, mit welcher Erwartungshaltung haben Sie das Placida-Viel-Berufskolleg besucht?

Gnadt: Ich war gespannt, ob die Schule hält, was sie in der schriftlichen Bewerbung versprochen hat. So sollten zum Beispiel die Unterrichtskonzepte verschriftlicht und allen zugänglich sein. Während eines Unterrichtsbesuches arbeiteten die Schüler:innen an einem Projekt, und ich fragte die Lehrerin, wo das Projekt aktuell steht. Sie gab mir eine dicke Mappe mit den Worten: „Hier wird das Projekt von A bis Z beschrieben. Das liegt auch alles digital vor. So kann jede Lehrkraft sofort einsteigen, auch wenn sie zum Beispiel nur zur Vertretung da ist.“ Dieses professionelle Wissensmanagement hat mich fasziniert. Das Kollegium kann flexibel agieren und darauf vertrauen, dass Lehrkräfte einfach nachschauen können, wenn sie etwas nicht zur Hand haben. Gleichzeitig spricht es dafür, dass das Kollegium im Team arbeitet und sich als solches versteht.

Was können andere Schulen von dieser Schule lernen?

Übertragbar ist ihr Fokus auf Unterrichtsentwicklung. Das Placida-Viel-Berufskolleg koppelt die Schulentwicklung konsequent an den Unterricht. Wir konnten uns davon überzeugen, wie man mit Unterrichtsentwicklung, Flexibilisierung und Individualisierung eine ganze Schule verändern kann. Das braucht Zeit – für das Placida-Viel-Berufskolleg war es ein Weg von zehn Jahren. Andere Schulen können von ihm lernen, wie wichtig es ist, Schritt für Schritt vorzugehen. Dabei hilft die beispielhafte Dokumentation, die allen offensteht. So kann jede:r sehen, was die nächste Etappe ist. Dann passiert es nicht, dass jemand vorweggeht, sich umdreht und sieht, dass niemand hinterhergekommen ist. Ich persönlich habe von dieser Schule gelernt, dass ich mein Verständnis von Raum um die digitale Komponente erweitern muss. Ehrlich gesagt war ich nach den ersten Rundgängen von der Lern- und Arbeitsumgebung eher enttäuscht, auch wenn die Schule das Beste aus den Gegebenheiten macht. Diese anfängliche Enttäuschung hat sich am zweiten Besuchstag in Luft aufgelöst. Die Schüler:innen arbeiten digital – und dieser Raum ist innovativ, aufgeräumt und gut gestaltet. Hier finden sie sich zurecht und erhalten bei Bedarf Unterstützung.

Woran haben Sie neben der professionellen Unterrichtsentwicklung noch erkennen können, dass an dieser Schule eine hohe Unterrichtsqualität herrscht?

Am Placida-Viel-Berufskolleg gibt es ein gemeinsames Unterrichtsverständnis und eine konsequente Orientierung an Kriterien, die in der Schule bekannt sind – nicht nur den Lehrkräften, sondern auch den Schüler:innen. Diese Standards sind nicht starr festgezurrt, sie ermöglichen auch Freiraum für persönliches Ausleben. Gleichzeitig sind gemeinsame Verabredungen verbindlich.

Welche innovativen Ansätze verfolgt das Placida-Viel-Berufskolleg?

Da gibt es mehrere. Was ich hervorheben möchte, sind zum einen die kontinuierlichen Veränderungsprozesse der Schule. Sie behält genau im Blick, was die Schüler:innen heute brauchen, und versucht zu identifizieren, was künftig für sie von Bedeutung sein kann. Die Gefahr bei neuen Konzepten ist immer, dass man viel Entwicklungsarbeit reinsteckt und das fertige Konzept dann eins zu eins umsetzt, fertig. Das Placida-Viel-Berufskolleg macht es anders: Die Steuergruppe, zu der auch Schüler:innen gehören, nimmt die Konzepte immer wieder unter die Lupe und prüft, wo sie angepasst werden müssen und was sich verändert. Zum anderen zeigt das Berufskolleg, dass berufliche Bildung und Lernen nach dem Daltonplan sich nicht ausschließen. Die durchgehende Verzahnung von Fachunterricht, Dalton, Mentoring und Digitalisierung mündet in einem sehr bemerkenswerten Konzept – in „Daltonconnects“, das Standardisierung und Individualisierung vereint. Lernen nach dem Daltonplan findet am Berufskolleg zweimal am Tag statt und ist eine ganz wertvolle Errungenschaft, und zwar auch, weil kein Unterricht mehr ausfällt.

Haben Sie ein Beispiel dafür?

Die Digitalisierung hat hier schon weit vor Corona eine wichtige Rolle gespielt. Die Schule hat nicht gewartet, bis irgendein Erlass oder eine Pandemie kommt, die sie zwingt, Konzepte für den Distanzunterricht zu entwickeln. Dank ihrer Weitsichtigkeit hat die Schule frühzeitig verstanden, dass sie sich digital aufstellen muss. In unseren Gesprächen ist deutlich geworden, wie sehr das Placida-Viel-Berufskolleg in der Coronazeit davon profitierte und anderen Schulen voraus war.

 

Zur Person

Dr. Carola Gnadt ist Schulrätin im Bereich Lehrerbildung und in der Schulaufsicht für weiterführende Schulen in Potsdam tätig.