Laudatio

Zwei Fragen, die das Zentrum pädagogischer Arbeit betreffen, bestimmen die gegenwärtige Schulentwicklungsdebatte in Deutschland: Welche Strukturen können helfen, die Individualität und Unterschiedlichkeit der Schülerinnen und Schüler in einer Klasse als Chance für alle Beteiligten zu nutzen? Und: Wie muss der Tag einer Ganztagsschule getaktet werden, damit ein gesunder und leistungsförderlicher Rhythmus entsteht? Für beide Fragen hat die Realschule Johannes Gutenberg in Wolmirstedt bei Magdeburg wirksame und zugleich bestechend einfache Lösungen gefunden.

Heterogenität als Chance ist dort keine Leerformel, sondern wird über eine Weiterentwicklung des „Tischgruppenmodells“ von Stunde zu Stunde praktiziert: Der Starke hilft dem Schwächeren Nachbarn, der Schwächere entwickelt in der Tischgruppe Stärken, die er ohne die Mitschüler, mit denen er tagtäglich kooperiert, nicht fände.

Jeder „Ganztag“ wird täglich in der zweiten und dritten Unterrichtsstunde, dem „Filetstück“ eines Unterrichtstages, bereichert durch eine Phase selbstorganisierten Lernens, in denen der Lehrer sich ausschließlich auf die beratende Rolle eines Lerncoaches beschränkt. Durch ihre zentrale Stellung kann diese Phase abstrahlen auf den gesamten anderen Unterricht, bei dem am Nachmittag dann eher die Hände als der Kopf gefragt sind.

Dem Wolmirstedter Kollegium ist es in Sachsen-Anhalt gelungen, wertvolle Elemente der Schulkultur der DDR-Zeit, die es – trotz berechtigter Kritik – ja durchaus gegeben hat, auf organische Weise mit „westlichen“ Ideen zu binden und auf fruchtbare Weise zu neuen Qualitäten zu bringen.

Preisträgerfilm aus dem Jahr 2011